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Eine von der Arbeit, von der Familie oder einfach von dem gewohnten Umfeld? Eine Auszeit von der medialen Welt, dem Konsum der uns umgibt oder dem gesellschaftlichen Druck schnell und möglichst effektiv zu leben? Für Nichts scheint mehr richtig Zeit zu sein. Apps, die Bücher in Kurzform zusammen fassen. Proteinbars und Drinks, die ganze Mahlzeiten ersetzen. Und inzwischen setzen wir sogar auf künstliche Intelligenz, die uns hilft schneller zu arbeiten.
Nach meiner Ausbildung und einem Burn Out mit 24 Jahren wollte ich unbedingt eine Auszeit. Ich war noch nicht bereit mich auf den Arbeitsmarkt zu stürzen, sondern wollte diese Zeit nutzen um meine Batterien aufzuladen.
Und wie könnte das besser funktionieren, als mit dem Jakobsweg. Zumindest dachte ich das. Vielleicht kennt ihr bekannte Bücher und Filme wie „ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling oder den Film „dein Weg“. Ich dachte wohl, wenn ich den Jakobsweg gehen würde, bekäme ich vielleicht Antworten auf Fragen, die mich immer wieder beschäftigten.
So sitze ich da, in der Spätschicht meines Zweitjobs, der mir meine Wohnung finanzierte und lese einen Artikel über den Camino Portugués. Ein Variation des Jakobsweges der nur etwa 250 km lang war und den ich innerhalb von 3 Wochen bewältigen könnte. So viel zum Thema Effizienz. Eigentlich hatte ich keine Termine oder Verpflichtungen für die Zeit danach und die Möglichkeit den langen französischen Jakobsweg zu gehen, hätte auch funktioniert, aber das erlaubte ich mir nicht. Außerdem war ich mir sicher, dass 3 Wochen finanziell mit Sicherheit drin waren und ich wollte eines Tages am Ende des Weges ankommen. Ein Erfolgserlebnis haben. Nachdem ich den Artikel gelesen hatte, war ich mir sicher.
Ich suchte einen Flug raus und klickte auf ‚Buchen‘. Zu der Zeit rannte ich gerade so auf meinen Burn-Out zu. Einer der ersten Symptomen in einer stressigen Zeit (60Stunden arbeiten, vom einen Job zum anderen rennen, nachts noch am Ausbildungsbericht arbeiten, nur wenige Stunden Schlaf) war dieses Egal Gefühl. Ängste, die ich vorher hatte bzgl. als Frau alleine reisen etc. waren auf einmal weg. Tatsächlich war ich schon so down, dass ich dachte es ist mir egal wenn ich dort drauf gehe, schlimmer als gerade kann es wohl nicht sein.
Die Zeit bis zum Abreisetag konnte nicht schneller vergehen. Ich freute mich zum ersten Mal seit Langem wieder auf Etwas. Und dann saß ich im Flugzeug. Erstmal nach Paris, um dann von dort aus weiter nach Porto zu fliegen. Mein Startpunkt.
Ich nahm mir die ersten 3 Tage Zeit Porto anzuschauen und dann ging’s auch schon los. Mit meinem neuen Wanderrucksack bestückt, an dem eine Jakobsmuschel baumelte, ging ich die ersten 21 km. Natürlich hatte ich am Ende des Tages trotz bequemer Wanderschuhe heftige Blasen an den Füßen. Der Körper muss sich ja auch erstmal an die Belastung gewöhnen. Am zweiten Tag tat mein Rücken weh und am Dritten quälten mich höllische Wadenschmerzen, die mich unter Tränen an meiner Herberge ankommen ließen.

Man sagt, die erste Woche ist für den Körper, die Zweite für den Kopf. Das heißt: In der ersten Woche plagen dich körperliche Schmerzen und in der zweiten dann fragst du dich ständig warum du dir das eigentlich antust. Und ja so war es auch bei mir. Und immer wenn dir etwas missliches widerfährt sagen alle „das ist der camino.“ Ich glaube diese Einstellung baut eine Resilienz bei einem auf.
Einmal habe ich eine falsche Abzweigung genommen und habe mich in die Berge in eine Siedlung verirrt. Dies bescherte mir aber auch zugleich eine wundervolle Erfahrung. Denn ich irrte abends in der Siedlung herum in der Hoffnung eine Herberge zu finden. Ich fand keine. Aber eine liebe Familie gewährte mir Unterschlupf und versorgte mich mit einem typisch portuguiesischen 3 Gänge Menu plus Portwein. Am nächsten Tag wurde ich sogar zum nächsten Anknüpfpunkt gebracht und ich erlebte einen wundervollen Sonnenaufgang in den Bergen.

Ein anderes Mal erlebte ich fast hautnah einen Waldbrand. Die dritte Woche lief ich dann einfach nur noch den Weg. Ich entwickelte ein neugierige Einstellung, nahm jeden Tag wie er kam und hörte auf, mich mit anderen Anderen zu vergleichen. Schließlich erreichte ich mit zwei weiteren Wanderern Santiago de Compostela. Ganz klassisch gingen wir in die Weihrauch Zeremonie, holten unsere Urkunde ab und gingen abends essen. Aber als ich abends im Bett lag, mein eigentliches Ziel erreicht hatte, den Weg zu gehen, wusste ich, dass ich noch weiter gehen wollte.

Von Santiago aus geht der Weg noch bis Fisterra, zum Kap de Finistere oder auch zu Deutsch „das Ende der Welt“. Von dort aus, segelte damals Kolumbus los. Ich ging also weiter, bis es nicht mehr weiter ging. Das Meer begrenzt den Weg physisch. Doch einen Tag bevor ich ankam an der Küste, fand ich mein Gedicht wieder „habe Geduld“ von Rainer Maria Rilke. Den kleinen Zettel bekam ich damals zur Einschulung. Nie habe ich es verstanden. In meiner Herberge auf dem Bett sitzend nahm ich ihn in die Hand, las ihn und mir wurde klar, was meine eigentliche Frage für den Jakobsweg war. Die Frage nach dem Warum und wofür. Und ich wusste, keiner kann sie mir beantworten. Ich muss das Leben erleben um es zu wissen. Und dann ging ich los, den letzten Abschnitt zur Küste, mit einer atemberaubenden Stimmung von Sonnenaufgang über dem Meer. Befreit von meiner Frage. In Frieden. Und bereit für alles Kommende.
